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07.04.2014

Währungskrieg steht vor neuer Runde

Der Euro ist im Vergleich mit anderen Währungen so stark geblieben, dass nun selbst die Europäische Zentralbank darüber redet. Sie droht dem enormen politischen Druck nachzugeben und ihn zu schwächen.

Wer in Politik, Wirtschaft oder bei der Geldanlage einigermassen erfolgreich sein will, muss zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden. Sonst fällt er leicht auf die Eigeninteressen strategisch agierender Persönlichkeiten und Institutionen herein, die sich nicht scheuen, für das Marketing ihrer Ideen abstruse Argumente zu nutzen. George Soros etwa wandelt schon seit Monaten von Pressekonferenz zu Pressekonferenz und fordert einen «Marshall-Plan» für die Euro-Zone. Der berühmt-berüchtigte US-Investor hat Argumente keynesianisch orientierter Proponenten vom Schlage Paul Krugmans aufgegriffen und beschreibt fremdfinanzierte Ausgabenprogramme unter Führung Deutschlands als den allein selig machenden Ausweg aus der Krise.

Austerität als Schimpfwort

Der Hintergrund lässt sich relativ einfach erklären. Denn Anleger wie Soros haben in den vergangenen Monaten in grösserem Stile Bonds und Aktien von Staaten und Firmen der europäischen Peripherie erworben. Sie möchten nun gemeinsam mit anderen «nachfrageorientierten» Experten politisch sicherstellen, dass sich die Peripheriestaaten nicht «zu Tode sparen», sondern getrieben von einem neuen Kreditboom wieder florieren. Nur dann würden sich ihre Investitionen richtig auszahlen. Austerität, ein mittlerweile zum Schimpfwort verkommenes Synonym für den sparsamen Umgang mit öffentlichem Geld, wäre in ihren Augen schädlich. Sie übersehen grosszügig, dass die letzte Krise bedingt wurde durch hohe Schuldenberge und durch von überhöhten Niveaus aus nachgebende Vermögenspreise.

Nun fürchten Marktbeobachter eine Wiederholung der damaligen Entwicklung. Schliesslich haben die Zentralbanken die Anleger nach der letzten Krise erneut mit sehr tiefen Zinsen und extrem hohen Geldmengen förmlich zum Kauf riskanter Wertpapiere gezwungen. Nach dem Kursfeuerwerk an den Aktien-, Bond- und manchen Rohwarenmärkten scheint die nächste Korrektur nur eine Frage der Zeit zu sein.

Umso erstaunlicher sind die jüngsten, von starkem medialem Interesse begleiteten Diskussionen über deflationäre Effekte in Europa. Schliesslich waren genau solche zu erwarten, sobald monetäre Anreize reduziert werden oder sobald diese ihre Wirkung verlieren. Trotzdem oder gerade deswegen geistern Vorschläge durch die Gazetten, die Europäische Zentralbank (EZB) solle nach dem Vorbild der USA und Japans mit dem Ankauf von Anleihen oder verbrieften Kredit-Produkten beginnen, um die Wirtschaft besser mit günstigen Darlehen zu versorgen und die Gefahr einer Deflation zu bannen. Selbst EZB-Präsident Mario Draghi scheint nicht abgeneigt zu sein. Er deutete auf der Pressekonferenz nach einem routinemässigen Treffen der geldpolitisch Verantwortlichen am Donnerstag an, es sei ernsthaft darüber diskutiert worden. Sogar Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank und Sakralhüter der Währungsstabilität, schloss derartiges nicht mehr aus.

 

NZZ vom 7. April 2014