Sie sind hier

06.05.2013

Superzyklus am Ende – Eine Zeitenwende steht bevor

Der Kupferpreis ist ein zuverlässiger Konjunkturindikator. Wenn er fällt, geht auch das Wirtschaftswachstum zurück

Kupfer hat sich längst als Konjunktur-Indikator bewährt, denn es wird überall in der Industrie verwendet. Experten sehen nun eine Zeitenwende anbrechen – die gesamte Weltwirtschaft könnte abschmieren. Von Daniel Eckert Daniel EckertBiografie und alle Artikel des AutorsFacebook Google + Twitter und Holger Zschäpitz 

Dr. Copper hat eine schlechte Nachricht für die Welt. Dr. Copper, so nennen Börsianer den Preis des Industriemetalls Kupfer. Der gilt als Konjunkturindikator, da der Rohstoff in Maschinen, Autos und Elektronik, aber auch beim Bau von Industrieanlagen und Häusern Anwendung findet.

Wird weniger geordert, sinkt der Preis des Industriemetalls. Während Wirtschaftszahlen immer mit einiger Verzögerung herauskommen, stellt Dr. Copper die Diagnosen sofort. Und die aktuelle lässt nichts Gutes für die Weltwirtschaft erahnen.

Seit Ende Februar hat Kupfer 15 Prozent an Wert verloren. Das rote Metall ist nicht der einzige Rohstoff, der schwächelt. Auch bei anderen Schätzen der Erde geht es nach unten. Zucker und Weizen haben sich seit Jahresanfang um fast zehn Prozent verbilligt, Kaffee rund sieben Prozent.
 

Rohstoffschwäche durch Schwellenländer

"Die konjunkturabhängigen Rohstoffe reagieren wohl auf die chinesischen Daten. Dort könnte es weiter deutlich abwärtsgehen", sagt der Berliner Vermögensverwalter Guido Lingnau. Dort haben sich die Einzelhandelsumsätze im ersten Quartal um 12,4 Prozent erhöht, die Industrieproduktion wuchs um 9,5 Prozent.

Das sind zwar beachtliche Werte, sie blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Dasselbe gilt auch für das Wirtschaftswachstum insgesamt: Es fiel mit 7,7 Prozent ein gutes Stück niedriger aus als von den Ökonomen prognostiziert. Gleichzeitig ist bei vielen Industriemetallen ein üppiges Angebot auf den Markt gekommen.

"Wenn sich nun zugleich die Nachfrage ein wenig schlechter entwickelt als vermutet, geht es bei den Notierungen nach unten", sagt Thomas Bichler, Fondsmanager bei der österreichischen Investmentgesellschaft Raiffeisen Capital Management (RCM). "Die Rohstoffschwäche kommt von den Emerging Markets, die sich nicht mehr so rasant entwickeln wie noch vor einigen Jahren."

Viel von dem Geld, das noch vor einigen Jahren in die Schwellenländer floss, fließt heute zurück in die USA, wo – auch dank günstiger Energie – neue industrielle Kapazitäten aufgebaut werden.

 

Rohstoff-Euphorie wird nicht zurückkehren

Die Gewinne der europäischen Rohstoffkonzerne sind seit 2011 um 47 Prozent zurückgegangen. Damit sind die Bergwerks- und Energieunternehmen knapp hinter den Banken der zweitschlechteste Sektor auf dem Kontinent.

Der paneuropäische Rohstoffindex Stoxx Basic Resources hat seit Jahresanfang ein Viertel seines Wertes eingebüßt und liegt auf dem niedrigstem Niveau seit dem Rezessionsjahr 2009.

"Der Superzyklus bei Rohstoffen ist tot", sagt Vadim Zlotnikov, Chefstratege beim amerikanischen Anlagehaus ACMBernstein. Er rechnet zwar mit einer kleinen Gegenbewegung auf den Absturz, doch die Euphorie werde ebenso wenig zurückkehren wie bei den Technologiewerten nach dem Platzen der Millenniumsblase.

Jahrelang war zu beobachten, dass die Produktion der Bergwerke und Ölbohrtürme dem Bedarf zum Teil deutlich hinterherhinkte. Dieser Nachfrageüberhang ließ die Rohstoffpreise langfristig auf breiter Front steigen.

Der Preis einer Tonne Kupfer schoss von rund 1300 Dollar je Tonne nach der Jahrtausendwende auf mehr als 10.000 Dollar im Jahr 2011.

 

Spekulanten pumpten Milliarden in den Sektor

Börsianer sprachen vom "Superzyklus", weil die Industriemetalle und andere Rohstoffe über das übliche Auf und Ab des Konjunkturzyklus eine Aufwärtstendenz aufwiesen. Die Finanzkrise von 2008 konnte diesen Superzyklus nur kurz unterbrechen, aber nicht beenden.

Als Ursachen wurden die wachsende Weltbevölkerung und der unersättliche Rohstoffhunger der Schwellenländer angeführt. Diese schnell wachsenden Staaten an der Schwelle zu entwickelten Volkswirtschaften holten die industrielle Revolution binnen weniger Jahre mit rasantem Tempo nach.

Die Galionsfigur dieser neuen Ära war China, dessen Industrieproduktion Jahr für Jahr mit zweistelligen Raten zulegte. Spekulanten sprangen auf den Trend auf und pumpten Milliarden in die Rohstoffsektor. Auf die Hedgefonds folgten die Investmentgesellschaften, die immer mehr Fonds mit dem Etikett "Rohstoff" auflegten. Der Superzyklus wurde zum Allerweltsinvestment. "Wenn alle auf den fahrenden Zug aufspringen, endet es immer mit Tränen", sagt Zlotnikov.

 

Bei Öl kann es noch weiter nach unten gehen

Er empfiehlt, den ganzen Bereich der Metalle und Energieträger unterzugewichten und stattdessen in der Gesundheitsbranche zu investieren. Medizintechnik, Pharma und Krankenhausbetreiber hätten ein stabileres Geschäftsmodell als Bergwerke.

Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs äußert sich in der Tendenz skeptisch. Ebenso die Citigroup, die zuletzt in einer Studie schrieb, dem Superzyklus läute das Totenglöckchen. Die Strategen an der Wall Street raten ihren Kunden dazu, nicht mehr den gesamten Komplex zu kaufen, sondern selektiv in einzelne Schätze der Erde zu investieren. "Metalle sind schon ziemlich stark gefallen und ihrem Tief womöglich schon ziemlich nah, bei Öl könne es noch weiter nach unten gehen", sagt Jeffrey Currie, Rohstoffexperte bei Goldman.

RCM-Mann Bichler warnt hingegen davor, die jetzigen Daten überzuinterpretieren: "Schon in den vergangenen Jahren hatten wir das Muster, dass sich die Wirtschaft im Sommer abgekühlt hat. Gegen Jahresende habe sich die Situation dann stabilisiert.

 

Kommt im Herbst eine bessere Diagnose?

"Der OECD-Frühindikator, ein wichtiger globaler Konjunkturindex, hat bereits gedreht und liegt wieder auf Wachstumskurs", sagt der Rohstoffexperte Thorsten Schulte, auch bekannt als "der Silberjunge". Das gelte auch für die globalen Einkaufsmanagerindizes.

"Macht die Politik keine gravierenden Fehler, insbesondere in der Euro-Zone, dürfte die Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr 2013 langsam wieder an Fahrt aufnehmen. Behält Schulte recht, könnte Dr. Copper schon im Herbst eine deutlich bessere Diagnose stellen als derzeit.

Quelle: Welt vom 19. April 2013