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19.01.2014

Strittiger Steuerabzug bei Bussen von Firmen

Vergangenes Jahr wollte der Ständerat verhindern, dass Schweizer Banken unter anderem die hohen Bussen im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit von der Steuer absetzen können. Der Nationalrat hat dies jedoch knapp abgelehnt. Daraufhin hat SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer eine Motion eingereicht, die fordert, dass Unternehmen strafrechtliche Bussen nicht mehr von der Steuer absetzen dürfen. Es sei sicherzustellen, dass die Steuerpraxis den Strafcharakter der Busse nicht ausheble. Anders argumentiert FDP-Nationalrat Ruedi Noser, der befürchtet, dass Unternehmen, die hohe Kartellbussen bezahlen mussten, wie Schindler, im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz ein Wettbewerbsnachteil erwachsen würde, sollte der Steuerabzug nicht mehr gelten.

Steuergesetz wertet nicht

Gesetzlich ist bei juristischen Personen nur die Abzugsfähigkeit von sogenannten Steuerbussen ausgeschlossen. Bei anderen Bussen stellt sich die Frage, ob sie zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören. Bei Unternehmen ist grundsätzlich jeder geschäftsmässige Aufwand steuerlich absetzbar. Das Steuergesetz wertet nicht, vielmehr bemisst sich die Steuer nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.

Unter Juristen ist die Frage umstritten. In einem Rechtsgutachten für den Kanton Zürich kommt Madeleine Simonek, Professorin für schweizerisches und internationales Steuerrecht an der Universität Zürich, zum Schluss, dass eine strafrechtliche Busse dann steuerlich abzugsfähig ist, wenn sie nach dem zur Anwendung kommenden Strafrecht das Unternehmen aus eigenem Verschulden treffen soll. Die Busse wird in diesem Fall in aller Regel auf ein organisatorisches Verschulden des Unternehmens zurückgeführt. Aus steuerrechtlicher Sicht gehört eine solche Busse zum geschäftsmässig begründeten Aufwand des Unternehmens. Will die strafrechtliche Busse hingegen die für das Unternehmen handelnde natürliche Person bestrafen, ist sie nach dem Rechtsgutachten von Simonek nicht abzugsfähig. Juristisch lässt sich jedoch auch eine gegenteilige Position vertreten, indem die Einheit der Rechtsordnung höher gewichtet wird als die Wertneutralität des Steuerrechts. Denn aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung lässt sich ableiten, dass die Wirkung einer Busse nicht durch eine steuerliche Abzugsfähigkeit gemindert werden soll. Diese Position stützt sich etwa darauf, dass auch ein Selbständigerwerbender Bussen nicht als Aufwand von der Steuer absetzen kann. Vollständige rechtliche Klarheit über die steuerliche Abzugsfähigkeit würde erst ein entsprechender Entscheid des Bundesgerichts bringen.

Einzelfall wird geprüft

Laut Marcus Desax, Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Walder & Wyss, die auch Banken im US-Programm vertritt, haben die von den USA auferlegten Bussen jedoch zumindest für die Banken in der Kategorie 2 aus schweizerischer Sicht gar keinen strafrechtlichen Charakter und sollten allein schon deshalb steuerlich abzugsfähig sein. Im Fokus des US-Programms stehe die Betreuung von amerikanischen Kunden durch den gesamten Finanzplatz. Zudem sei die Höhe der Bussen nicht vom Verschulden der Bank abhängig, und es würden auch Institute gebüsst, die in den USA nicht strafrechtlich belangt würden. Bei den Bussen stehe also weniger das Verschulden im Vordergrund, vielmehr gehe es aus amerikanischer Sicht um den Einzug von Gewinnen, die in der Vergangenheit versteuert wurden.

Ähnlich sieht dies die Finanzverwaltung des Kantons Bern. Bei der Beantwortung der Frage sei zu berücksichtigen, dass Zahlungen geleistet würden, um langwierige Prozesse und möglicherweise grossen Schaden abzuwenden. Aus dieser Optik würden entsprechende Zahlungen und Rückstellungen als geschäftsmässig begründet erscheinen, heisst es. Es werde im Einzelfall geprüft, ob das Verhalten der Firma als geschäftsmässig begründet betrachtet werden könne. Der Kanton Zürich stützt sich bei der Beurteilung auf das Gutachten von Steuerrechtsprofessorin Simonek, wonach die Busse steuerlich abzugsfähig ist, wenn sie das Unternehmen aus eigenem Verschulden treffen soll. Im Gutachten werde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die steuerliche Behandlung von Bussen kontrovers sei, weshalb sich auch Zürich eine Beurteilung des Einzelfalls vorbehalte. In Basel-Stadt ist eine Busse, die das unrechtmässige, strafbare Verhalten der juristischen Person beziehungsweise ihrer Organe strafrechtlich ahnden will, nicht zum Abzug zulässig. Abzugsfähig bleiben jedoch jene Bussen, die widerrechtlich erzielte Gewinne abschöpfen. Diese Praxis ist auch in verschiedenen anderen Kantonen verbreitet. Beim Finanzdepartement Genf heisst es, dass Steuerbussen nicht abzugsfähig seien und in der Lehre die Auffassung vertreten werde, dass dies auch für andere Geldstrafen gelte. Der Kanton Zug hatte noch keine Veranlassung, sich abschliessend mit der Frage der Abzugsfähigkeit von Bussen aus dem US-Steuerstreit auseinanderzusetzen und plant derzeit nicht, die Praxis abschliessend und verbindlich festzulegen. In St. Gallen werden Strafen bei juristischen Personen grundsätzlich nicht als Aufwand anerkannt. Ob die Zahlungen im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit nach Schweizer Recht die Qualität von Strafen aufwiesen, werde erst im konkreten Fall beurteilt.

Schweizweite Regelung

Die Praxis in den Kantonen ist somit sehr unterschiedlich. Insgesamt besteht laut Simonek die Tendenz, Bussen eher nicht steuerlich zum Abzug zuzulassen. Die unterschiedliche Beurteilung in den Kantonen kann aber etwa auch dazu führen, dass der Kanton, in dem das Unternehmen den Hauptsitz hat, die Busse zum Steuerabzug zulässt, während ein Kanton, in dem eine Tochtergesellschaft angesiedelt ist, den Abzug verweigert. Hier drängt sich laut Desax eine einheitliche gesamtschweizerische Lösung auf.

Dies fordert auch Leutenegger Oberholzer in ihrer Motion. Der Bundesrat antwortete darauf, er sei bereit, die aufgeworfenen Fragen näher zu prüfen. Es sei aber noch zu früh, um gesetzgeberische Massnahmen vorzuschlagen. Die Antwort wurde jedoch von den Parlamentsdiensten wegen eines formellen Fehlers zur Überarbeitung zurückgewiesen. Der Bundesrat muss nun die Motion annehmen oder ablehnen.

Ob die Abzugsfähigkeit strafrechtlicher Bussen von Firmen künftig noch möglich sein soll oder nicht, muss politisch entschieden werden. Dafür würde es eine einheitliche Regelung auf Bundesebene brauchen – wie etwa im Fall der Zahlung von Bestechungsgeldern. 1999 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern. Erst mit diesem Gesetz war es in der Schweiz verboten, Bestechungszahlungen an Beamte als Geschäftsaufwand abzuziehen.

 

Quelle NZZ vom 19. Januar 2014