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15.08.2013

Protokoll der Bank of England Inflationsängste im Bankrat

Im Widerspruch zu den weit verbreiteten Erwartungen, dass der neue Gouverneur der Bank of England, der Kanadier Mark Carney, dem geldpolitischen Ausschuss seinen Willen aufzwingen werde, wurde die neuartige Zinspolitik nicht einstimmig beschlossen.

ali. Dublin Im Widerspruch zu den weit verbreiteten Erwartungen, dass der neue Gouverneur der Bank of England, der Kanadier Mark Carney, dem geldpolitischen Ausschuss seinen Willen aufzwingen werde, wurde die neuartige Zinspolitik nicht einstimmig beschlossen. Das Protokoll der Sitzung vom 7. August wurde am Mittwoch veröffentlicht. Daraus wird ersichtlich, dass eines der insgesamt neun Ausschussmitglieder, Martin Weale, Bedenken geäussert hatte. Weale ist gleichzeitig Direktor des Nationalen Wirtschaftsforschungsinstituts, NIESR.

 

Der Ausschuss hatte vor einer Woche beschlossen, der gegenwärtig tiefe Leitzinssatz und das Volumen der Offenmarkt-Operationen (das heisst der Erwerb von staatlichen Obligationen) blieben – unter gewissen Bedingungen – so lange unangetastet, bis die Arbeitslosenquote unter 7% gesunken sei. Weale hielt die Konditionen für eine Abkehr von dieser expansiven Politik für allzu locker. Namentlich befürchtete er, sie begünstigten höhere Inflationserwartungen.

Obwohl die Bank of England verpflichtet ist, ein Inflationsziel von 2% anzupeilen, hat sie dies in den letzten Jahren versäumt. Ihre Prognosen für die Preissteigerungsrate lagen konsistent zu tief. Seit Dezember 2009 liegt der tatsächliche Wert höher; gegenwärtig steht er bei 2,8%. In den neuen, vor einer Woche verabschiedeten Richtlinien wird zwar formell am herkömmlichen Wert festgehalten, doch ein Abbau der stimulierenden Massnahmen wird erst dann in Betracht gezogen, wenn die Bank selbst befürchtet, die Inflationsrate werde in den kommenden anderthalb bis zwei Jahren 2,5% erreichen.

Neue Arbeitsmarktzahlen bestätigten derweil am Mittwoch, dass die britische Konjunktur kräftig anzieht. Obwohl die Arbeitslosenquote wegen der Zunahme der arbeitsfähigen Bevölkerung stabil bei 7,8% verharrte, nahm die Zahl der Empfänger von Arbeitslosenhilfe stärker ab als erwartet. Dieser Messwert sinkt seit neun Monaten und hat den tiefsten Stand seit vier Jahren erreicht.

Der unerwartete Dissens im geldpolitischen Ausschuss und die rosigen Wirtschaftszahlen wecken Zweifel, ob der Zweck von Carneys Geldpolitik – die Erwartung stabil tiefer Zinssätze bis ins Jahr 2016 zu untermauern – wirklich erreicht wird: Die günstige Wirtschaftsentwicklung könnte ihn paradoxerweise rascher zum Eingreifen zwingen.

Quelle NZZ vom 15.08.2013