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06.06.2013

Kleinere Vermögensverwalter unter Druck

Steuerstreitigkeiten und regulatorische Anforderungen setzen unabhängige Schweizer Vermögensverwalter unter Druck. Beobachter sehen den Sektor vor einer Konsolidierungswelle.

Nicht oft lassen Präsentationen die Zuschauer so konsterniert zurück wie jüngst ein Vortrag von Stephen Wall in Genf. Der Vertreter der US-Analysefirma Aité Group stellte bei einem Anlass von Advent Software, einem Hersteller von Portfolio-Management-Software, einem Publikum aus Vertretern unabhängiger Vermögensverwalter (UVV) seine Prognosen zur Zukunft von deren Branche vor – und die Aussichten scheinen düster.

250 Millionen als Grenzwert

Noch 2007, so Wall, sei die Vermögensverwaltung in der Schweiz sowohl ein attraktives als auch ein recht einfaches Geschäft gewesen. Doch mittlerweile hätten sich die Rahmenbedingungen so weit verschlechtert, dass der Sektor am Scheideweg stehe. Belastend wirkten vor allem die steigenden Anforderungen vonseiten der Regulatoren und die Steuerstreitigkeiten mit verschiedenen Ländern – die gerade das für den Schweizer Finanzplatz mit einem Anteil von 44% am verwalteten Vermögen besonders wichtige Westeuropa-Geschäft beträfen. Daneben begrenzten auch das Niedrigzinsumfeld, das die Erträge schmälere, und die gestiegenen Kundenerwartungen die Perspektiven.

Die durch diese Einflüsse steigenden Kosten, so Wall, dürften vor allem kleineren UVV zu schaffen machen. Die Grenze, unterhalb deren es für ein Unternehmen künftig schwer sein dürfte, nachhaltig profitabel zu arbeiten, zieht er bei 250 Mio. Fr. an verwaltetem Vermögen. Der Grossteil der Firmen, nämlich 79% der je nach Zählung 2200 bis 3600 UVV in der Schweiz, fällt gemäss Wall unter diese Grenze. 56% verwalteten gar weniger als 100 Mio. Fr.

Drei Trends sollen gemäss dem Analytiker die Zukunft des Sektors prägen. Erstens dürfte eine Vielzahl kleinerer Unternehmen wegen des gestiegenen Kostendrucks aus dem Markt ausscheiden. Zweitens würden neue Mechanismen und Plattformen zur Zusammenarbeit und Kollektivierung entwickelt werden, etwa im Bereich der geteilten Infrastruktur oder des Outsourcings. Als Beispiele nennt Wall Plattformen von Credit Suisse und Vontobel. Drittens müssten viele UVV den Fokus nun auf die Erschliessung neuer Märkte und Kundengruppen legen, etwa in Lateinamerika, und neue Dienstleistungen und Fähigkeiten entwickeln.

Nicht ohne Widerspruch

Während das Publikum Walls wenig optimistische Prognosen ohne Widerspruch hinnahm, ist Martin Engdal, Marketingleiter bei Advent Software, im Gespräch zuversichtlicher. Bei Kundenbesuchen präsentiere sich ihm grosso modo ein positiveres Bild der Lage hiesiger UVV. Allerdings, so Engdal, zählten vor allem grössere Unternehmen zu Advents Kunden. Für die zahlreichen kleineren Branchenmitglieder könne die Zukunft tatsächlich ein gutes Stück düsterer aussehen.

Quelle: NZZ vom 6. Juni 2013