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20.05.2014

Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz gab zum Abschluss des 1. Swiss International Finance Forum in Bern einen eher düsteren Ausblick für die kommenden Jahre. Die Krise sei noch lange nicht zu Ende, weder in den USA noch in Europa.

Es bestehe die Gefahr eines noch langjährigen Malaises nach japanischem Muster der letzten Dekaden. In den USA sei die Waage zwischen Markt und Staat in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Gleichgewicht geraten und müsse wieder eine bessere Balance finden. Stiglitz zeigte während seines Vortrages und der anschliessenden Befragung durch Moderatorin Sabine Christiansen immer wieder seine keynesianische und staatsgläubige Orientierung. So sympathisierte er auch mit dem derzeitigen Ansatz zur Krisenlösung in Japan mit einer Mixtur aus geldpolitischen, fiskalischen und strukturellen Massnahmen.

Kernaussagen

– Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Man ist in einer Periode, die man noch nicht einschätzen kann – vielleicht in einer verlorenen Dekade. – In den USA ist das Wachstum weiter anämisch. Für die überwältigende Mehrheit der Amerikaner gibt es keine Erholung. Das Median-Einkommen ist auf dem Niveau von Mitte der 1990er Jahre. Bei durchschnittlichen Arbeitern sieht es noch viel düsterer aus. – Die US-Arbeitslosenquote sinkt nur, weil Menschen aus der Statistik fallen. – Spanien und Griechenland sind weiter in einer Depression. Die Lage ist deprimierend. In manchen Ländern ist es schlimmer als in der Grossen Depression. – Die USA und Europa haben eine grosse Lücke zwischen früherem Trendwachstum und derzeit realisierbarem Wachstum. – Ökonomien mit hoher Ungleichheit sind instabiler als solche mit niedriger Ungleichheit. – Die soziale Ungleichheit, die ein Treiber der Krise war, wird durch die Krise noch schlimmer. – Die USA sind das Land mit der grössten Ungleichheit. Schuld daran ist die Politik, denn die ökonomischen Gesetze sind überall gleich. – Wenn die Produktivität stärker steigt als die Nachfrage, sinkt die Beschäftigung. Die USA sind damit Opfer ihres eigenen Erfolges der vergangenen 20 Jahre. – Der Finanzsektor hat bei der Fristentransformation versagt, trotz vorhandenem Geld fehlt langfristiges Kapital zur Infrastrukturfinanzierung.

NZZ vom 20. Mai 2014