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25.07.2013

Angst vor harter Landung in China

Nach Jahren allgemeiner Euphorie sorgt die wirtschaftliche Entwicklung in China derzeit bei Anlegern eher für Sorgen- als für Lachfalten. In den vergangenen Wochen ist eine ganze Serie unterschiedlicher Konjunkturindikatoren enttäuschend ausgefallen. Der am Mittwoch veröffentlichte Einkaufsmanagerindex der HSBC-Bank hat das betrübliche Bild bestätigt. Die Kurse an den Börsen des Landes haben allerdings kaum auf die Nachricht reagiert.

Die Mehrheit der Anleger geht davon aus, dass sich die chinesische Wirtschaft von der gegenwärtigen Schwächephase erholen und sich im internationalen Vergleich robust entwickeln wird. Unabhängige Beobachter wie Simon Hunt von der Analysefirma SHSS erwarten Eingriffe von der chinesischen Regierung, um die konjunkturelle Entwicklung im Lande zu stabilisieren. Da die Geschäftsbanken bei der Gestaltung von Kreditkonditionen seit einigen Tagen nicht mehr an Untergrenzen gebunden seien, könnten sie fällig werdende Kredite im Privatsektor leichter verlängern, sagt Hunt. Auch die staatlichen Unternehmen würden grosszügiger mit Krediten versorgt oder im Notfall sogar gerettet werden. Zudem seien die Regionalverwaltungen gebeten worden, geplante Projekte zu beschleunigen. Zusammengenommen sollten diese Massnahmen bewirken, dass sich das Wachstum der chinesischen Wirtschaft im vierten Quartal 2013 und in der ersten Hälfte des kommenden Jahres beschleunigt, sagt Hunt.

Das Basisszenario der Analytiker der Société Générale ist ebenfalls optimistisch. Gleichzeitig aber warnen sie davor, die Wahrscheinlichkeit einer «harten Landung» in China zu unterschätzen. Mit einer Investitionsquote von knapp 50% sei die chinesische Volkswirtschaft einseitig ausgerichtet und werde von grossen Überkapazitäten, hohen Unternehmensschulden und der an den Rand gedrängten Privatwirtschaft geprägt. Die «harte Landung», definiert als Rückgang des Wirtschaftswachstums unter die Marke von 6%, lasse sich durch eine Serie umsichtiger Reformen vermeiden. Dieser Prozess könne aber schiefgehen, schreiben sie und verweisen auf die Konsequenzen.

China importiert Waren und Dienstleistungen im Gegenwert von 30% des Bruttoinlandprodukts, vor allem für Investitionszwecke. Die Nachfragewirkung weltweit ist beachtlich. Sollte sie sinken, wären die Folgen am stärksten in Taiwan, Südkorea, Malaysia, Australien, Japan und Indonesien zu spüren, das zeigen Daten des Internationalen Währungsfonds und der OECD. Grosse Teile der Exporte gingen dort nach China. In Deutschland fielen die Effekte unterdurchschnittlich aus. Der absolute Wert der China-Exporte werde überschätzt.

Am Devisenmarkt würde der Dollar in einem Krisenszenario stärker und der Yuan schwächer werden, heisst es weiter. Ein denkbarer Währungskrieg würde die Schwierigkeiten nur verstärken. Ansteckungseffekte über die Finanzsektoren wären gering, allerdings müssten in China tätige Unternehmen mit beachtlichem Abschreibungsbedarf rechnen. Positive Impulse für die Weltwirtschaft gingen von erwarteten fallenden Rohwarenpreisen aus, während die Wirkung geld- und fiskalpolitischer Interventionen begrenzt bliebe.

Quelle: NZZ vom 25. Juli 2013